Die Sonne stand noch kaum über dem Horizont, da kamen Forstwart Willi König und Sohn Simon ins Staunen. Am Waldrand zwischen Muhen und Hirschthal entdeckten sie, wie der «Landanzeiger» berichtete, einen jungen Rothirsch, der sie aufmerksam beobachtete. Ein Tier, wie man es seit Generationen im unteren Suhrental nicht mehr frei lebend gesehen hatte. Simon König, selbst Forstlehrling, zückte das Handy und drückte ab.
In der Schweiz leben mittlerweile wieder rund 135000 Rothirsche. Heimisch sind sie vor allem in den Alpen. Doch sie dringen immer mehr ins Mittelland vor. In den Aargau wagten sie sich bisher allerdings kaum. «Es gibt nur im Raum Zofingen und entlang der Grenze zum Kanton Zürich Populationen», erklärt Rainer Klöti, Präsident des Verbandes JagdAargau (AJV).
War Ardy eine Ausnahme?
Ausserdem würden sich im Oberen Freiamt immer wieder einzelne Tiere aus der Region Zug über die Kantonsgrenze wagen. «Doch mit dem Vordringen in den übrigen Aargau tun sie sich schwer und wir wissen nicht, weshalb», sagt Klöti. Ein naheliegender Grund könne die A1 sein, über die bei Suhr gerade eine grosse Wildtierbrücke gebaut wird. Doch auch einfache zugängliche Lebensräume seien bis heute kaum oder gar nicht besiedelt. Letztes Jahr war die Rede davon, dass es im ganzen Aargau 30 bis 40 Hirsche gibt. Sicher ist, dass neun abgeschossen worden sind.
Interessant ist die Anekdote von Hirsch Ardy, der 2011 extra per Helikopter über die A1 und die A5 geflogen worden ist, um den Kanton Solothurn zu besiedeln. Artgenossen sollten folgen, doch Ardy kehrte kurz entschlossen in seinen heimischen Wald im Süden zurück. Er schaffte es über beide Autobahnen.
War Ardy damit eine Ausnahme? Sind Nationalstrassen für Hirsche zu grosse Hindernisse? Oder haben sie einfach keine Lust, sie zu überqueren?
100 Kameras sollen das Aargauer Rätsel lösen
Antworten sucht Forscher Claudio Signer der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Im Frühling hat er mit seinem Team gleich hundert Wildtierkameras entlang der Grenze Aargau/Zürich aufgestellt. Im Herbst sollen sie erste Aufschlüsse darüber geben, wie sich der Rothirsch dort, an der Grenze seines Lebensraums, verhält: Wie viele finden ihren Weg in den Aargau, wo gehen sie lang, kehren sie zurück? Sind es Einzelgänger, Rudel? Claudio Signers Team ist Teil eines grösseren Projekts des Bundesamts für Umwelt.
«Eines der Ziele ist es, die Lebensräume des Rothirschs zu bestimmen und miteinander zu verbinden», erklärt Signer. «In der Schweiz wird dabei die entstehende Wildtierbrücke in Suhr eine entscheidende Rolle spielen. Aber es braucht noch mehr Massnahmen.» Hecken und hochwachsende Felder können den scheuen Hirschen den sicheren Weg weisen, kleinere Wälder auf der Wanderung als vorübergehender Unterschlupf dienen. Etwa auf dem Weg zur neuen Wildtierbrücke.
«Ein Problem sind Lärm und Lichtverschmutzung»
«Die Brücke von Suhr gilt für den nationalen Wildwechsel als bald wichtigste Verbindung zwischen Nord und Süd», sagt auch Thomas Stucki, Leiter der Sektion Jagd und Fischerei beim Kanton. Und für den Rothirsch ist sie das Eingangstor in den Jurapark. Wenn er es denn nutzen wird. «Denn es spielen viele Faktoren eine Rolle. Ein Problem für den scheuen Hirsch sind auch Lärm und Lichtverschmutzung», erklärt Forscher Claudio Signer: Wird es nachts nicht ausreichend dunkel und leise, fühlen sich Rothirsche selbst im Wald nicht sicher. Und auf den Rothirsch aus dem Süden wartet ennet der Suhrer Wildtierbrücke die Agglomeration Aarau.
August 06, 2020 at 10:00AM
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Ein frei lebender Hirsch wagte sich nach Hirschthal – das junge Tier ist eine Seltenheit - Aargauer Zeitung
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