Dieser Text stammt aus einer Reihe, in der sich Prominente an ihren Sommer 1945 erinnern. Der Autor Burkhard Hirsch ist im März 2020 verstorben.
Auf einzelnen Plätzen hatten sich deutsche Soldaten eingenistet, die Widerstand leisten sollten. An den Häusern sah man immer mehr weiße Fahnen und Bettlaken, es gab einzelne Artillerieeinschläge. Ich sah, wie sie einen Klassenkameraden auf einer Bahre wegtrugen. Er war notdürftig mit einer Decke bedeckt, sein linker Arm hing schlaff herunter. Er war tot, ein Granatsplitter hatte seine Brust zerrissen. Das war doch etwas anderes als die fremden Toten, die man nach Luftangriffen gelegentlich am Straßenrand herumliegen sah, fremd eben und tot, da dachte man nicht lange drüber nach. Aber der? Ich sehe ihn noch heute. Wir haben auch später nicht mehr über ihn gesprochen, als gegen Jahresende 1945 die Schule wieder angefangen hatte. Dazwischen lag eben ein Weltuntergang.
Nun kamen die Amerikaner, mit Shermans und nicht mit einem T34, für den wir geübt hatten. Haftladungen oder Panzerfäuste hatten wir sowieso nicht. Sie kamen auf ihren Jeeps, sauber, diszipliniert, und der Volkssturm löste sich auf wie Schnee in der Sonne. Man munkelte darüber, dass Graf Luckner, der berühmte "Seeteufel" des Ersten Weltkrieges, den heranrückenden Amerikanern entgegengefahren sei und ihnen zugesichert habe, dass Halle nicht verteidigt werde. So habe er die Stadt vor einem Luftangriff gerettet. Es hat am Reileck und am Riebeckplatz ein paar Schießereien gegeben. Dann war es vorbei.
August 25, 2020 at 02:33AM
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Burkhard Hirsch über den Sommer 1945: Der Volkssturm löste sich auf wie Schnee in der Sonne - DER SPIEGEL
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Hirsch
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